Hessabi by Tom Appleton

Hessabi by Tom Appleton

Autor:Tom Appleton [Appleton, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH, Wien
veröffentlicht: 2016-03-11T16:00:00+00:00


(3)

»Weißt du, Adam«, sagte mir Lucys Mom eines Tages, als ich unangemeldet zu Besuch kam, und Lucy wieder nicht zu Hause war. »Du bist ein feiner Kerl und wir alle mögen dich sehr. Ich habe das Gefühl, als ob du zu unserer Familie gehörst. Aber Lucy ist meine Tochter. Ich mag nicht alles gut finden, was sie tut, aber in letzter Instanz muss sie selber herausfinden, was gut für sie ist. Ich vertraue ihr, ich weiß, dass sie keine unüberlegten Schritte machen wird. Aber du musst auch realistisch denken, Adam. Du bist 16, und Lucy wird bald 15. Ihr habt eine schöne Zeit zusammen gehabt, aber Lucy wird nicht mehr sehr viel länger an dieser Schule bleiben können. Und auch du wirst wieder zu deinen Eltern nach Bad Godesberg zurückkehren müssen, denn es ist ja offensichtlich, dass du in diesem Internat grauenvoll unglücklich bist. Es wird das Beste für euch beide sein, wenn ihr einfach versteht, dass eure Zuneigung füreinander eine Phase in eurem Leben war. Was wir auf Englisch die ›Liebe von jungen Hunden‹ nennen – puppy love.«

Zufällig war ich mit diesem Ausdruck vertraut, denn ich kannte einen Song von Paul Anka, in dem er seiner Geliebten versichert, die Gefühle, die sie füreinander empfinden, seien eben alles andere als a puppy love. Ich wusste, dass noch Jahre vergehen würden, bis Lucy und ich heiraten könnten. Auch ihre Eltern hatten sich im College, mit 22 kennengelernt, und dann erst mit 26 geheiratet. Aber ich war überzeugt, dass Lucy jetzt in diesem Moment bereits sexuelle Erfahrungen sammelte, während ich hier in der Küche stand und mir gut gemeinte mütterliche Ratschläge anhörte. Ich beschloss, dazubleiben, und auf Lucy zu warten. Rausschmeißen würde man mich nicht, denn man sagt nicht in der einen Minute zu jemandem, »Ich habe das Gefühl, dass du zu unserer Familie gehörst«, und wirft ihn im nächsten Moment hinaus.

Ich setzte mich also zum Zeitvertreib ans Klavier und spielte irgendeine Tonfolge – und jetzt kommt es: Ich hörte auf einmal Milt Jackson, von der Platte, die ich in HaJos Spind gefunden hatte. Diese schwebenden und manchmal swingenden Vibrafonklänge. Und dann fiel mir eine Platte von Lucys Vater ein, auf der Milt Jackson beim Modern Jazz Quartet mitspielte. Ich stand auf und suchte die Platte, ich will sagen, auf einmal fast wie rasend. Ich legte sie auf, suchte nach diesem Track, und da war die Stelle, die ich suchte. »Vorsicht, dass du nicht die Platte zerkratzt, Adam«, mahnte mich Mom, ein wenig besorgt, aber ich hatte keine Zeit für solche Trivialitäten. Ich fand die Stelle auf der Platte und spielte sie zweimal, dreimal, dann ging ich zum Klavier und suchte die dazugehörigen Tasten. Wo steckten bloß diese schwebenden Klänge? Was war das für eine Tonart? M. und N., Lucys jüngere Schwestern, hatten auf dem Sofa gesessen und versucht, sich aus der Sache herauszuhalten. Sie merkten, dass irgendwas Komisches im Gange war. N. setzte sich ans Klavier und sagte: »Das sind die Noten, die du suchst.« Ich setzte mich zu ihr auf die Bank, sah ihre Hand auf den Tasten.



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